12. März 2020
Addis Abeba – Leipzig, eine Partnerschaft im Namen der Inklusion
Ludwig Henne, Projektleiter des Pilotprojektes „Das taktile Kinderbuch – Inklusion über alle Grenzen“, überreichte sechzig taktile Kinderbücher an verschiedene Institutionen in Addis Abeba. Das Buch, dreisprachig und taktil für blinde, sehbehinderte und sehende Kinder entstand während eines inklusiven Workshops mit Kindern aus Leipzig und Addis Abeba.
Projektstart
Leipzig und Addis Abeba pflegen schon seit den 1970er Jahren eine intensive Städtepartnerschaft und können auf zahlreiche kulturelle, wirtschaftliche und soziale Kooperationsprojekte zurückblicken. Auf ein Projektangebot des Bundesministeriums für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit, welches nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte fördert, bewarb sich die Stadt Leipzig im Jahr 2016. Das Projekt ging der Frage nach, wie Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt am Leben in der Kommune teilhaben können und welche Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Kultur helfen können. Delegationen aus Äthiopien kamen nach Leipzig und Leipziger Delegationen reisten nach Äthiopien. Aus diesem intensiven und ergebnisorientierten Austausch ergaben sich vier Pilotprojekte. Wir, als Förderverein für barrierefreies Lesen e. V., durften dabei in einem Pilotprojekt federführend dabei sein.
Die Situation blinder Kinder in Äthiopien
Als Ludwig Henne am 17.02.2020 nach Addis Abeba aufbricht, hat er sechzig taktile Kinderbücher mit dem Titel „Meine Stadt Addis Abeba und Leipzig“ im Gepäck. Zwei riesige und äußerst schwere Koffer und trotzdem nicht genug.
In Äthiopien ist die Situation von Menschen, die von Blindheit und Sehbehinderung betroffen sind prekär. Es mangelt an Hygiene, Aufklärung und vor allem an ausreichender medizinischer Versorgung. Fast die Hälfe aller Kinder in Äthiopien sind mit einer Augenkrankheit namens „Trachom“ infiziert, so ein Bericht des Spiegels aus dem Jahr 2018. Ursache dieser sich schnell ausbreitenden Tropenkrankheit sind winzig kleine Bakterien, Chlamydien, die in Europa einer Geschlechtskrankheit zugeordnet werden und hierzulande keine Gefahr mehr darstellen. Diese Bakterien befallen aufgrund mangelhafter hygienischer Bedingungen die Augen. Besonders Kinder sind von dieser hoch infektiösen Erkrankung schwer betroffen. Der Spiegelbericht spricht von der Hälfte aller Kinder in Äthiopien.
Taktile Kinderbücher, ein Tropfen in der Wüste
Man könnte meinen, dass aufgrund dieser prekären Situation die 60 Kinderbücher verdampfen, wie ein Tropfen Wasser in der Wüste. Doch Dialog und Zusammenarbeit können Impulsgeber für zukunftsweisende Projekte sein!
So traf Ludwig zum Beispiel verschiedene Menschen, die im Blindenwesen tätig sind und Bildungsarbeit in inklusiven Schulen leisten. Die symbolische Übergabe der Bücher konnte genutzt werden, um einen Austausch im Sinne partnerschaftlicher Inklusionsarbeit voranzubringen und Erfahrungen und weiterführende Vernetzungsarbeit zu leisten.
Am Donnerstag, den 20. Februar besuchte die Delegation um Ludwig Henne die Sabata School for the Blind, 20 km entfernt von Addis Abeba. Die Schule ist eine inklusive Schule, in der sehende, blinde und sehbehinderte Schüler unterrichtet werden. Die meisten Schulen in Äthiopien haben ganz selbstverständlich einen inklusiven Ansatz, aufgrund der hohen Zahl Kinder mit Behinderungen in der Bevölkerung. Auf dem Rundgang durch die Schule besichtigten die Vertreter u. a. die Braille-Bücherei.
Ein anderes Treffen führt die Delegation aus Leipzig mit dem Direktor der ENAB, Ethiopian National Association of the Blind, Wesen Alemu zusammen. Wesen führt die Leipziger über einen lebendigen Campus mit hunderten blinden Menschen, die miteinander musizierten, Spiele spielen, gemeinsam lernen und in der Braille-Druckerei arbeiten. Fasziniert von der lebendigen und quirligen Athmosphäre, einem Miteinander im Kontext von Lehre, Arbeit und gegenseitiger Hilfe, folgte Ludwig stauned Wesen Alemu über den Campus.
Die Zukunft als Chance
Der Lern- und Austauschprozess beider Städte, Leipzig und Addis Abeba zum Thema Inklusion ist entfacht. Und wichtig zu bemerken ist auch, dass wir in „dieser einen Welt“ viel voneinander lernen können. Die Erfahrungen, die Lehrende in Äthiopien im inklusiven Unterricht mitbringen sind maßgeblich positiv und bereichern unsere Denke. Wir können davon profitieren und lernen. Es bleibt der Wunsch nach mehr. Der Wunsch nach Empowerment und vorurteilsfreier Bildung weltweit. Pionierdrang, Tatendrang und Mut bestimmten diese Reise im Namen der Inklusion. Wir fordern: Lesen für alle, mit Büchern für alle!